Außeniminsterin Annalena Baerbock gibt in Nigeria einige der als Raubgut geltenden Benin-Bronzen zurück. Sie folgt damit dem Stand der Wissenschaft, denn für Historiker:innen steht fest: Die Benin-Bronzen sind von den britischen Besatzern gestohlen worden, doch teilweise von Deutschen gekauft und in Deutschland ausgestellt worden. Darum steht auch Deutschland hier in der Verantwortung. Das weiß Baerbock auch und hat sie auch deutlich so gesagt. Das wurde vom Auswärtigen Amt und ihr selbst korrekt so kommuniziert. Rechte Fake News-Schleudern überziehen sie dennoch mit Hetze – und weil sie offenbar nichts zu kritisieren finden, behaupten sie einfach, die Außenministerin wüsste es nicht. Die Hetze geht völlig ins Leere.
Baerbock-Reise basiert auf historischen Fakten
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) war in den letzten Tagen auf einer Dienstreise in Nigeria, die verhältnismäßig viel Aufmerksamkeit erhalten hat. Konkret ging es dabei um die Rückgabe einiger der sogenannten Benin-Bronzen, die Deutschland letztes Jahr angekündigt hatte. Die Artefakte sind teils mehr als 500 Jahre alt und wurden 1897 von britischen Truppen geplündert. Rund 5000 Benin-Bronzen kamen mit diesem Raubzug nach Europa und wurden dort teilweise an deutsche Sammler versteigert. 1.100 Benin-Bronzen befinden sich deshalb bis heute in deutschen Museen, auch wenn nur ein kleiner Teil des modernen Nigerias jemals unter deutscher Kolonialherrschaft stand.
Nach jahrzehntelangem Zögern hat sich das Auswärtige Amt im Juli zur Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung mit der Regierung von Nigeria durchgerungen. Darin erklärt sich Deutschland bereit, alle Benin-Bronzen, die sich im Besitz deutscher Institutionen befinden, zurückzugeben. Die aktuelle Reise der Außenministerin nach Nigeria ist die richtige Konsequenz dieser Abmachung. Das ist selbstverständlich ein lobenswerter erster Schritt in die richtige Richtung. Doch im Netz gibt es aktuell viel Hass und Häme. Wir schauen für euch genauer hin.
Twitter-Hetze zu Benin-Bronzen fern von Fakten
Doch wie so oft, wenn sich ein Hetz-Mob auf eine Politikerin stürzt, ist die Argumentation der Hetzenden fern von Fakten. Denn natürlich weiß Annalena Baerbock, dass Nigeria nicht Namibia ist. Und genau so offensichtlich haben sie und ihr Team sich vorher viel intensiver mit dem Thema beschäftigt, als es die rechte Internet-Arroganz jemals getan hat. Denn man findet buchstäblich auf der Website des Auswärtigen Amtes, also von Baerbocks eigener Behörde, alle Fakten zu den Benin-Bronzen. Dort liest man, dass sie von britischen Kolonialherren gestohlen wurden und teilweise an Deutsche versteigert wurden. Also genau das, was absurderweise von den Internettrollen als „mangelndes Wissen“ kritisiert wird.
Außerdem erläutert Baerbock in ihrer Rede auch, warum sie diesen Akt als Teil der deutschen Kolonialgeschichte sieht, selbst wenn Nigeria nie deutsche Kolonie war.
„Amtsträger aus meinem Land kauften einst die Bronzen, obwohl sie wussten, dass sie geraubt und gestohlen worden waren. Danach haben wir Nigerias Bitte um Rückgabe sehr lange Zeit ignoriert. Es war falsch, sie mitzunehmen. Aber es war auch falsch, sie zu behalten.“
auswaertiges-amt.de
Die rechte Hetze geht also völlig ins Leere. Ein paar Klicks hätten gereicht, um zu erkennen, dass Baerbock die deutsche Kolonialgeschichte sehr wohl exakt und sensibel behandelt und alle Fakten korrekt aufsagt. Selbst in ihrem Instagram-Profil finden sich die Highlights „Benin-Bronzen“, in denen alles sachlich korrekt behandelt wird. Doch das Problem an der ganzen Sache ist nach wie vor: Um „Wahrheit“, Fakten oder einen fairen Diskurs geht es solchen Hetz-Trolls gar nicht.
So hämisch lügen Rechte zu den Benin-Bronzen
Der vielleicht prominenteste Teilnehmer der aktuellen Hetzwelle gegen die Außenministerin ist der Journalist Jan Fleischhauer, der seine Kuscheleien mit den Neuen Rechten kaum noch unter zynischen pseudo-intellektuellen Tweets verbirgt. Er verfasste zum Thema Benin-Bronzen eine typische Dog Whistle: „Es ist für manche Deutsche bis heute schmerzhaft zu akzeptieren, dass Deutschland schon immer bei Vielem nicht Führungsmacht war, sondern bestenfalls Second Rate. Also imaginiert man auch eine Kolonialgeschichte, die es nie gab.“
Diese bewusst vage gehaltene Formulierung hat jedoch Anspielungen, die in rechten Kreisen klar verstanden werden. Es geht um die auf Twitter kursierende Beschuldigung, die Außenministerin würde mit der Rückgabe der Benin-Bronzen so tun, als sei Nigeria Teil der deutschen Kolonialgeschichte gewesen. Da das so nicht stimmt (das heutige Nigeria war britische Kolonie, wenn auch Teile Britisch-Kameruns und das Mahinland zeitweise Deutsch waren), wird es als willkommenes Signal genommen, Hass und Hetze auf die scheinbar „unwissende“ Außenministerin einprasseln zu lassen. Irgendwie waren dann plötzlich alle der Meinung, Baerbock habe Namibia und Nigeria verwechselt. Immerhin war Namibia wirklich mal deutsche Kolonie. Wieder mal muss man über Frau Baerbock lügen, weil man nichts an ihr zu kritisieren findet.
Und die Strategie funktioniert, wenn man sich allein die Kommentare zu Fleischhauers Tweet oder auch andere Postings unter dem #Nigeria und #Namibia anschaut:
Den weiteren Hass ersparen wir euch. Im Prinzip dreht sich aber der ganze rechte Twitter-Hass-Block immer wieder um die gleiche, falsche Argumentationsweise:
Hetze basiert auf Sexismus und Revisionismus
Warum verbreiten sich solche Mythen dann derart einfach im Internet? Wo sie doch jeglichen Fakten widersprechen? Gerade in der Causa Benin-Bronzen haben wir es vermutlich mit einer Mischung aus zwei Motiven zu tun. Zuerst einmal ist da grundsätzlicher Sexismus und Antifeminismus. Unsere Außeniministerin ist eine Frau, Mutter, grüne Politikerin und setzt sich für feministische Außenpolitik ein. Damit ist sie ein Dorn im Auge chauvinistischer, sexistischer Demagogen. Darum gibt es auch Hetzkampagnen gegen Baerbock seit sie bundespolitisch aktiv ist. Jep, jedes der Wörter ist ein einzelner Faktencheck von uns, weil wieder irgendwelche Leute gegen Baerbock gehetzt haben.
Ein anderes Motiv, welches in rechten Kreisen beliebt ist, ist auch ein gewisser Revisionismus. Man will stolz sein auf das eigene Land, aber darum natürlich auch die dunklen Abgründe deutscher Geschichte leugnen. Schlimm genug für die deutschen Rechten, dass man den Holocaust nicht ganz so offen leugnen kann, wie sie sich das wünschen. Doch wenigstens die deutsche Kolonialgeschichte war lange Zeit ungesehen geblieben. Erst in den letzten Jahren kommt im Mainstream langsam ein Bewusstsein dafür auf. Die Benin-Bronzen spielen dabei eine wichtige Rolle. Rechte wollen das nicht wahrhaben und müssen das sensible Thema unbedingt lächerlich machen – Fakten spielen da für sie keine Rolle.
Fazit
Das Ergebnis des Ganzen ist, aus der Außenperspektive, ein rechter Mega-Fail. Sie sind so sehr verklemmt in ihrem Knäuel aus Sexismus, Revisionismus und Hass, dass sie gar nicht merken, wie einfach ihre gegenstandslosen Hasswellen widerlegt werden können. Und dennoch richten sie mit jeder dieser Wellen Schaden an. Ihre Zielgruppen erreichen hämische Twitter-Posts eher als reflektierte Faktenchecks. Deswegen müssen wir auch weiter darüber reden, müssen die Gefahr immer wieder ansprechen, die von rechtsextremem Gedankengut für marginalisierte Gruppen, aber auch die gesamte demokratische Gesellschaft ausgeht.
Es ist gut und richtig, dass geraubte Kunstschätze aus Afrika zurückgegeben werden. Sinnvolle Kritik daran wäre, dass das alles viel zu lange dauert und nach wie vor zu langsam geht. Dass wir uns endlich unserer kolonialen Geschichte stellen, ist aber immerhin ein wichtiges Signal. Ewiggestrige kommen da vielleicht nicht drauf klar, aber das ist ihr Problem. Lasst uns wachsam bleiben, damit es nicht noch mehr zu einem Problem für unsere Demokratie wird.
Bild: Annette Riedl/dpa
Author: Beth Miller
Last Updated: 1703151122
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